Dr. des. Marcel Siegler (geb. Müller)

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FB 2: Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
Institut für Philosophie, Fachgebiet Technikphilosophie

  • Technikphilosophie
  • (Post-)Phänomenologie
  • Existenzphilosophie / Existenzialismus
  • Philosophie der Mensch-Technik-Interaktion
  • Philosophie der Gewohnheit

Forschungsprojekt „Die letzten Dinge: Technische Transformation von Lebenswelt zu Sterbenswelt in der letzten Lebensphase (Arbeitstitel)“


Der Tod hat als elementarer Bestandteil unseres Lebens auch in unserer hochtechnisierten Welt nichts von seiner Signifikanz verloren und bleibt als unabdingbarer Teil unserer Existenz allgegenwärtig. Dennoch wandeln sich Vorstellungen und Erwartungen an den Tod und das Sterben durch ständig neue Erkenntnisse aus Palliativmedizin, -pflege und -therapie, Medizintechnik und Gesundheitspolitik, sowie durch sozialen und kulturellen Wandel. An die Seite des schicksalhaften Todes ist bei bestimmten Krankheitsbildern und -verläufen heute auch die Hoffnung auf einen guten Tod und ein damit verbundenes gutes Sterben getreten. Dieses soll unter Anderem selbstbestimmt und kontrolliert in den eigenen vier Wänden stattfinden und die Möglichkeit bieten, sich von Freunden und Angehörigen zu verabschieden.

In der Thanatosoziologie wird das Sterben als sozialer Ausgliederungsprozess verstanden, der sowohl von Seiten Sterbender als auch von Seiten Angehöriger durch verschiedenste Praktiken und das generelle Auseinanderdriften der Erfahrungswelten vollzogen wird. In diesem Zuge transformiert sich die Lebenswelt Sterbender zunehmend zu deren Sterbenswelt. Diese Transformation ist nicht nur sozialer, sondern auch technischer Natur und wird durch die Implementierung medizintechnischer Apparate und Prozesse begleitet. Bildgebende und andere Analyseverfahren dienen zur Feststellung von Krankheitsbildern und zur Evaluierung von Behandlungsverläufen, Pflegebetten erleichtern das Pflegen und Lagern bei eingeschränkter Mobilität, Schmerzpumpen und Beatmungsgeräte erlauben eine Steigerung der Lebensqualität bei zunehmender Schwere des Krankheitsverlaufs.

Je nach institutionellem Kontext weisen Sterbenswelten verschiedenste Faktoren auf, die ein gutes Sterben ermöglichen sollen. Auch wenn die eigenen vier Wände als Sterbenswelt noch immer exemplarisch für ein gutes Sterben zu stehen scheinen, ist deren längerfristige technische Ausgestaltung aufgrund eventuell auftretender rapider Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder aufgrund räumlicher, sozialer und finanzieller Gegebenheiten nicht immer möglich. Doch auch das Hospiz, die Palliativstation und die Intensivstation repräsentieren technisch ausgestaltete Sterbenswelten, mit je eigenen institutionell organisierten Techniken und Praktiken.

Die Wahrnehmung der vier letztgenannten Sterbenswelten hinsichtlich der dort vermeintlich gegebenen Qualität des Sterbens ist jedoch keinesfalls gleich. Gerade das Sterben auf Palliativ- und Intensivstationen wird dabei oft als technisiert, institutionalisiert und damit eben nicht mehr als selbstbestimmt wahrgenommen. Dennoch weisen Sterbenswelten in Form des eigenen Zuhauses und des Hospizes ebenso medizintechnische Apparate und zumindest teilinstitutionalisierte Praktiken auf, die eben dort ein gutes Sterben ermöglichen sollen. Die negativen Konnotationen der Begriffe Technisierung und Institutionalisierung scheinen hier mit bestimmten Vorstellungen von der Künstlichkeit und Macht der Technik, sowie der überformenden Eigengesetzlichkeit von Institutionen zusammenzuhängen und gerade in existenziellen Grenzsituationen wie dem Sterben (aber auch der Geburt) immer mehr fehl am Platz zu sein.

Das Forschungsprojekt analysiert die technische Transformation von Lebens- zu Sterbenswelten, sowie die technische und institutionelle Ausgestaltung der Sterbenswelten Zuhause, Hospiz, Palliativ- und Intensivstation aus technikphilosophischer Perspektive. Es legt dabei besonderen Fokus darauf, wie die Vorstellung des guten Sterbens einerseits diskursiv durch bestimmte Vorstellungen von Technik und der Institution Krankenhaus mitgestaltet wird, als auch, wie sich das (gute) Sterben in diesen Sterbewelten praktisch auf Ebene der Mensch-Technik-Interaktion vollzieht. Es führt dazu das Konzept der existenziellen Grenzsituation in die technikphilosophische Debatte ein.

als Marcel Müller

Müller, M. (2021). Structure and Background. The Influence of Infrastructures on Human Action. In M. Nagenborg, T. W. Stone, M. González Woge, & P. E. Vermaas (Eds.), Technology and the City. Towards a Philosophy of Urban Technologies (pp. 121–136). Basel: Springer International Publishing.

Lukitsch, K., Müller, M., & Stahlhut, C. (2018). Criticality. In J. I. Engels (Ed.), Key Concepts for Critical Infrastructure Research (pp. 11–20). Wiesbaden: Springer VS.

Müller, M. (2017). The Urban Disposition. A Sartrean Framework for the Analysis of Urban Life. filosofia. Revista Da Faculdade de Letras, 34. 187-203. Link

Müller, M. (2016). Neue Kriterien – neue Chance? Zum Abschlussbericht der Endlagerkommission. Forschungsjournal Soziale Bewegungen. Analyse zu Demokratie und Zivilgesellschaft, 4/16. 134-138.