Dr. Andrea Protschky

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Institut für Soziologie

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Dolivostraße 15
64293 Darmstadt

  • Wohnen und Wohnungslosigkeit
  • Infrastruktur und Gesellschaft
  • Zeitlichkeit und Räumlichkeit sozialer Ungleichheiten
  • Praxistheorie
  • Soziologie des Körpers

Die Verknüpfung von Infrastrukturen und modernem Wohnen ist in der Wohnungsforschung seit Langem ein Thema. Wasser, Energie und Kommunikationsmedien werden häufig in der Wohnung genutzt oder beruhen auf der Wohnung für einen reibungslosen Betrieb (z.B. um Geräte zu laden), Verkehrsnetze verbinden Wohnungen mit anderen städtischen oder ländlichen Funktionen. In der Infrastrukturforschung hat die Schnittstelle zwischen Wohnen und Infrastruktur in den letzten Jahren vermehrte Aufmerksamkeit erfahren, vor allem im Hinblick auf die Situation wohnungsloser Menschen, die in Gesellschaften mit weitgehend wohnungsbasierter Infrastrukturversorgung vor einem „dwelling paradox“ (Meehan et al. 2023) stehen, da sie nicht über einen gesicherten Zugang zu Wohnraum verfügen.

Allerdings wurde gerade in den letzten Jahren unter dem Eindruck der Inflation, vor allem im Energiesektor, immer klarer, dass die Wohnung allein ebenfalls keinen Zugang zu funktionierender Infrastruktur garantiert. Bereits im Jahr 2021 verzeichnete die Bundesnetzagentur 234.926 Strom- und 26.905 Gassperren in Deutschland. In einigen Fällen kommt es auch zu Wassersperren. Grundlage für solche Sperren ist in der Regel Zahlungsverzug. Energiearmut und -sperren in Deutschland werden immer wieder von Institutionen wie dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bemängelt. Angesichts der massiv gestiegenen Energiepreise vor allem seit 2022 ist von einer Intensivierung des Phänomens auszugehen.

Menschen mit geringem Einkommen und Vermögen haben zudem oft nicht die Möglichkeit, wohnungsbasierte und mobile Kommunikationsinfrastrukturen zu finanzieren. Im Fall von Mobilität ist das, in Deutschland als Straftat behandelte, Fahren ohne Fahrschein für die meisten verhängten Ersatzfreiheitsstrafen verantwortlich – im Jahr etwa 7000 – auch hier vor allem im Fall von armutsbetroffenen Menschen. Nicht selten sind diese Probleme eng mit der Bedrohung von Wohnungsverlust verzahnt: Zahlungsverzug bei den Nebenkosten kann so auch zur Wohnungskündigung führen; Haftstrafen sind durch die fehlende Übernahme der Miete während der Haft nach SGB II ebenfalls ein häufiger Grund für Wohnungsverlust.

Das Projekt soll sich auf verschiedene Aspekte des Schnittpunkts zwischen prekärem Wohnen und prekärem Infrastrukturzugang fokussieren und die soziale Situation der von Infrastrukturarmut Betroffenen, ihre Umgangsstrategien, rechtliche Rahmenbedingungen und die theoretische Verknüpfung von Wohnen und Infrastruktur in den Blick nehmen. Als Grundlage ist eine qualitative empirische Studie in einer deutschen Stadt vorgesehen.

Quelle: Meehan, Katie, Melissa Beresford, Fausto Amador Cid, Lourdes Johanna Avelar Portillo, Anna Marin, Marianne Odetola, and Raul Pacheco‐Vega. 2023. “Homelessness and water insecurity in the Global North: Trapped in the dwelling paradox”. WIREs Water. https://doi.org/10.1002/wat2.1651

Improvisierte Infrastrukturen. Infrastrukturpraktiken und soziale Ein- und Ausschlüsse von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft in Berlin.

Der Zugang von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft zu Basisinfrastruktur (Wasser, Energie, Mobilität, Kommunikation) ist stark erschwert. Menschen, die auf der Straße leben oder nur nachts in Notunterkünften unterkommen, sind häufig von Infrastruktur ausgeschlossen, die in der eigenen Wohnung genutzt wird oder für die gezahlt werden muss. Durch die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und teils aufwendige Nutzungs- und Ersatzstrategien erhalten Stadtbewohner*innen ohne permanente Unterkunft dennoch eingeschränkten Zugang zu Infrastruktur. Die Infrastrukturpraktiken dieser Menschen erscheinen so als Spiegel sozialer Ein- und Ausschlüsse und prägen zugleich ihre soziale Situation – etwa durch die Möglichkeit die persönliche Hygiene aufrechtzuerhalten oder die Ansammlung von Schulden bei ÖPNV-Betreibern. Während der Covid-19-Pandemie führt die Einschränkung vieler Hilfsangebote und das Wegbrechen von Einnahmequellen einerseits zu einer Verschärfung dieser Prekarität, andererseits könnten gesellschaftliche und politische Hilfsinitiativen neue Möglichkeiten für die Infrastrukturnutzung von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft liefern.

In der Forschung zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit sowie der Infrastrukturforschung sind diese Themen noch relativ wenig beleuchtet. Die europäische Infrastrukturforschung nimmt vor allem die integrierende Wirkung von Infrastruktur oder regionale Unterschiede in den Blick, kaum aber den Ausschluss einzelner Nutzer*innengruppen. Ansätze der Infrastrukturforschung aus dem Globalen Süden stellen hingegen die Rolle von Nutzer*innen und ihrer Praktiken für das Funktionieren prekärer und instabiler Infrastrukturen und für die Erforschung urbaner Ungleichheiten in den Vordergrund. In Anlehnung an diese Debatte fragt das Forschungsprojekt mit einem praxistheoretischen Ansatz, inwiefern Infrastrukturpraktiken von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft mit sozialen Ein- und Ausschlüssen verknüpft sind und wie sich diese Zusammenhänge vor dem Hintergrund persönlicher und gesellschaftlicher Krisen entwickeln. Die Studie wird in Berlin durchgeführt, das manchmal als Deutschlands “Hauptstadt der Obdachlosigkeit” (Mayer 1997, Mahs 2013) bezeichnet wurde, da hier besonders viele Menschen ohne dauerhafte Unterkunft leben.

10/2019 – 03/2024 Promotion beim GRK KRITIS, Institut für Soziologie an der TU Darmstadt und der Universität Utrecht
10/2015 – 04/2019 Masterstudium Urban Design (M.Sc.), Technische Universität Berlin
09/2016 – 04/2017 Auslandsstudium International Master in Urban Planning and Urban Studies, Forschungsschwerpunkt, École d’Urbanisme de Paris, Université Paris-Est Marne-la-Vallée
10/2011 – 09/2015 Bachelorstudium Kultur der Metropole (B.A.), ein Jahr Vertiefung in Stadtplanung (B.Sc.), HafenCity Universität Hamburg
seit 10/2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim GRK KRITIS, Institut für Soziologie an der TU Darmstadt
07/2019 – 09/2019 Freie Mitarbeiterin im Projekt ‚PANDORA‘, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin
09/2017 – 06/2019 Studentische Mitarbeiterin im Projekt ‚4D-Sicherheit‘, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin
06/2018, 10/2018 Beobachtung von zwei Katastrophenübungen der Berliner Feuerwehr im Projekt SenSE4Metro, Akademie der Katastrophenforschungsstelle gGmbH AKFS
04/2016 – 07/2017 Studentische Mitarbeiterin im Projekt ‚Alphakomm‘, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin
10/2015 – 09/2016 Assistenz bei einem Projekt im Soldiner Quartier, Berlin zu kritischer Architekturkommunikation und Seminar an der TU Berlin, Niche Berlin, Art & Architecture Tours
01/2015 – 09/2015 Studentische Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Dirk Schubert, HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Wohnen und Stadtteilentwicklung
01/2014 – 09/2015 Studentische Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Gernot Grabher, HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Stadt- und Regionalökonomie
04/2014 – 05/2014 Dokumentation des Workshops „Partizipation in der Integrierten Stadtteilentwicklung” für die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg, Abteilung Integrierte Stadtteilentwicklung

Eingeladene Vorträge

Ein Auge zudrücken. Illegalisierung, Willkür und Aushandlung im Kontext der Infrastrukturpraktiken wohnungsloser Menschen in Berlin. Präsentation am 19. April 2023 beim Kolloquium des Netzwerk Kriminologie an der Freien Universität Berlin. https://www.jura.fu-berlin.de/fachbereich/einrichtungen/strafrecht/lehrende/drenkhahnk/Besonderes/Netzwerk-Kriminologie/Bisherige-Themen/index.html

Staying under Bridges, Negotiating Barriers: Infrastructure Practices of Unhoused Berliners between Socio-Spatial Exclusion and Spaces of Care and Support. Präsentation am 23. September 2021 bei der sechsten Jahrestagung des SFB 1199, Universität Leipzig „Making Space Through Infrastructures: Visions, Technologies and Tensions.“ https://research.uni-leipzig.de/~sfb1199/annual-conference-2021/

Zeitlichkeit begrenzter Zugänge: Zeitaspekte der Infrastrukturpraktiken von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft. Präsentation am 11. Mai 2021 bei der Online-Konferenz „Temporalität von (Transport-) Infrastrukturen“ des Graduiertenkollegs KRITIS. https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/19259/1/Tagungsbericht%20_Tagung%20Temporalit%C3%A4ten%20von%20Infrastruktur.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Vorträge

The Annihilation of Time by Precarious Access? Time Aspects of Unhoused Persons‘ Infrastructure Practices. Vortrag am 15.06.2021 bei dem Workshop “NOIR – Infrastructural Times: A Workshop Exploring the Temporalities of Urban-Regional Infrastructure” des Network on Infrastructural Regionalism in der Regional Studies Association. https://events.rdmobile.com/Lists/Details/1132446.

Workshops und Konferenzen

Der Körper als Daueraufgabe: Infrastrukturpraktiken wohnungsloser Menschen in Berlin zwischen täglichem Ringen um Zugänge und körperlich-sozialen Folgen. Präsentation am 29. September 2022 beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) in Bielefeld. https://kongress2022.soziologie.de/programm

Covid-19 as a crisis of access: Infrastructure practices of unhoused persons in Berlin during the pandemic. Presentation am 26. August 2022 bei der RC21 in Athen. https://pcoconvin.eventsair.com/rc21/program-overview

The Annihilation of Time by Precarious Access? Time Aspects of Unhoused Persons‘ Infrastructure Practices. Präsentation am 15. Juni 2021 beim Workshop “NOIR – Infrastructural Times: A Workshop Exploring the Temporalities of Urban-Regional Infrastructure” des Network on Infrastructural Regionalism in the Regional Studies Association. https://events.rdmobile.com/Lists/Details/1132446

VERANSTALTUNGSORGANISATION

„Urban Circulations“, Online-Konferenz des Graduiertenkollegs KRITIS am 23. Juni, 2022. Co-Organisation. https://kritis.gitlab.io/ucconf2022/

Wissenschaftliche Publikationen

Protschky, Andrea (im Erscheinen): Covid-19 als Zugangskrise: Nutzung und Ersatz grundlegender Infrastrukturen durch wohnungslose Menschen in Berlin während der Pandemie. In: Sowa, Frank; Heinzelmann, Frieda; Heinrich, Marco (Hg.): Obdach- und Wohnungslosigkeit in pandemischen Zeiten.

Protschky, Andrea (2023): Körperlichkeit als Daueraufgabe. Infrastrukturpraktiken wohnungsloser Menschen in Berlin zwischen täglichem Ringen um Zugänge und körperlich-sozialen Folgen. In: Villa Braslavsky, Paula-Irene (Hg.): Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bielefeld 2022.

Protschky, Andrea (2023): Staying under Bridges, Negotiating Barriers: Unhoused Berliners’ Infrastructural Practices between Spatial Exclusion and Precarious Spatial Strategies. In: Burchardt, Marian; van Laak, Dirk (Hg.): Making Space through Infrastructures: Visions, Technologies andTensions, Munich: De Gruyter.

Protschky, Andrea; Longoni, Raphael (2021): Locating the RTG KRITIS within infrastructure discourses: an introduction. In: Research Training Group KRITIS (Hg.): Concepts of Infrastructure. Whitepaper of an internal workshop. https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/18514/1/20210420_Whitepaper_Concepts%20of%20infrastructure%20RL_AP.pdf (wird in neuem Tab geöffnet) 1-3.

Protschky, Andrea (2021): People as infrastructure: translating a metaphor for infrastructure research. In: Research Training Group KRITIS (Hg.): Concepts of Infrastructure. Whitepaper of an internal workshop. https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/18514/1/20210420_Whitepaper_Concepts%20of%20infrastructure%20RL_AP.pdf (wird in neuem Tab geöffnet). 12-14.

Longoni, Raphael; Protschky, Andrea; Beck, Tilman; Beuttenmüller Lopes Silva, Felipe; Dighe, Chaitali; Kuhn, Luisa; Platzer, Eva K.; Punt, Eline; Soelberg, Søren; Steinbach, Cedric (2021): Conclusion. In: Research Training Group KRITIS (Hg.): Concepts of Infrastructure. Whitepaper of an internal workshop. https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/18514/1/20210420_Whitepaper_Concepts%20of%20infrastructure%20RL_AP.pdf (wird in neuem Tab geöffnet).27-29.

Protschky, Andrea (2020): Netzwerke für Vernetzte? – Quartiersräte zwischen Zielsetzung und gelebter Realität. In: PlanerIn 3/20. 37-38.

Hempel, Leon; Wittich, Robert; Protschky, Andrea (2019). Integrierte Technikentwicklung durch Konfliktnetzwerke. In: Draude, C., Lange, M. & Sick, B. (Hrsg.), INFORMATIK 2019: 50 Jahre Gesellschaft für Informatik – Informatik für Gesellschaft (Workshop-Beiträge). Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.. S. 445-446.

Kim, MinJi; Mundt, Hannes; Protschky, Andrea (2017): Serendipitous Archives III. In: Lee, Rachel; Barbé, Diane; Fenk, Anne-Katrin; Misselwitz, Philipp (Hg.): Things don’t really exist until you give them a name. Unpacking Urban Heritage. Dar es Salaam. S. 61.

Barbé, Diane; Besha, Richard; Fenk, Anne-Katrin; Lee, Rachel; Misselwitz, Philipp (Hg.) (2017): Talking Cities. Urban Narratives from Dar es Salaam and Berlin. (Co-Autorin). Berlin. Link zum PDF (wird in neuem Tab geöffnet)

Berichte, Artikel, Blogbeiträge

Kim, MinJi; Mundt, Hannes; Protschky, Andrea (o.J.): MoabEat. What does the foodscape tell us about the influence of migration on the local characteristics? In: Simulizi Mijini. Urban Narratives. Platforms. https://urbannarratives.org/en/research/platforms/moabeat/

Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (Hg.) (2014): Workshop „Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung“. Dokumentation. Bearbeitet von: Schlonski, Christiane; Kaiser, Andreas; Protschky, Andrea. Hamburg.

Lehrveranstaltungen

Betreuung einer Masterarbeit an der Universiteit Utrecht: The relationship between changing moving behaviour and remote working: are smaller cities becoming more attractive? A case study on the city of Roosendaal. von Niels Jakobs (2022).

Seminar „Soziologie des Wohnens“ im Bachelor Soziologie an der TU Darmstadt im Sommersemester 2021. https://moodle.tu-darmstadt.de/course/info.php?id=23522