Dr. des. Laura Marie Höss
Arbeitsgebiet(e)
Institut für Geschichte
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Work
S3|12 523
Dolivostraße 15
64293
Darmstadt
- Infrastrukturgeschichte im urbanen Kontext
- Infrastrukturen in Städten des globalen Südens
- Informal Urbanism
- Urbane soziale Bewegungen
- (Stadt-)Planung als politische Praxis
- Science & Technology Studies
Verflechtungen von Gewalt, Geschlecht und Alltag im Europa des „langen 20. Jahrhunderts“
Gewalt stellt, auch jenseits von kriegerischen Auseinandersetzungen, eine anthropologische Konstante in Gesellschaften dar, die sich mitnichten im Zuge einer „Zivilisierung“ verringert hätte oder nur mehr als Staatsgewalt in Erscheinung tritt, wie z.B. Norbert Elias‘ „Zivilisierungsthese“, (Elias 1978) nahelegt. Jedoch unterliegen Gewaltphänomene hinsichtlich ihrer Wahrnehmung, Skandalisierung, Funktion, Legitimität / Illegitimität, Kriminalisierung, usw. durchaus Veränderungen. So wurde die Vergewaltigung von Prostituierten bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Zürich nicht als „Notzucht“ geahndet, sie war schlichtweg kein Straftatbestand (Loetz 2014). Andererseits wird verbale Belästigung von Frauen* im öffentlichen Raum, das sogenannte „Catcalling“, erst seit jüngster Zeit als Akt der Gewalt / Übergriff konzeptualisiert. Was als Gewalt wahrgenommen und geahndet wird, ist daher immer zeitlich, räumlich, gesellschaftlich situiert und unterliegt Veränderungen.
Diese Veränderungen geben Aufschluss über (sich verändernde) Moralvorstellungen, Werte und Regeln des Zusammenlebens von Gesellschaften. Und trotzdem liegen „zum Wandel der Einstellungen, zur Entwicklung des Umgangs mit Gewalt und zur Genese von Gewaltphänomenen und ihren Formen über lange Zeiträume bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse vor“, wie Eva Labouvie (2023:14) in einem aktuellen Forschungsüberblick schreibt. Gender-sensible Untersuchungen, wie sie in der sozialwissenschaftlichen Gewaltforschung inzwischen etabliert sind, stellen trotz einiger Arbeiten (vgl. z.B. Herzog 2009, Bourke 2010, Loetz 2014) in den Geschichtswissenschaften die Ausnahme dar. Dies gilt insbesondere für die Untersuchung vergeschlechtlichter historischer Gewaltphänomenen aus einer Perspektive zu Friedens-/Nicht-Kriegszeiten.
Das Projekt zielt darauf ab, Gewalt- & Geschlechtergeschichte zu verbinden, fokussiert dabei vor allem auf alltägliche Gewaltkulturen und -praktiken sowie deren Veränderlichkeit und strebt darin eine europäisch vergleichende Perspektive in der longue durée an. Die Verknüpfung von Geschlechter- und Gewaltgeschichte erfolgt anhand des Untersuchungsgegenstandes von Gewalt an Frauen* außerhalb kriegerischer Auseinandersetzungen. Der Themenkomplex „Gewalt an Frauen*“ umfasst hierbei sowohl „klassische“ vergeschlechtlichte Gewaltphänomene wie körperliche/häusliche/sexuelle Gewalt, wie auch ritualisierte und habitualisierte, alltägliche Gewaltphänomene, die sich beispielsweise in Bräuchen und Ritualen wiederfinden lassen.
Hierbei soll die sich verändernde Wahrnehmung und Rezeption von häuslicher, sexualisierter und alltäglicher Gewalt untersucht werden sowie staatliche oder individuelle bzw. aktivistische Reaktionen auf Phänomene vergeschlechtlichter Gewalt. Dies können emanzipatorische, wie z.B. das Konzept und Phänomen der „Feministischen Gegengewalt“ inklusive deren gesellschaftliche Wirkmächtigkeit (z.B. in der Frauenhausbewegung) sein wie auch juristische (strafrechtliche Verfolgung, etc.). Daneben sollen Fragen, wie sich diese Diskurse materialisierten, beispielsweise im Stadtraum in Form von Frauenhäusern, oder Ledigenhäuser für alleinstehende Frauen während der Zeit des „Roten Wien“ oder der Konstruktion sog. (imaginierter) „Angsträumen“, gestriffen werden.
Das angestrebte Projekt stößt damit in zwei Leerstellen – gender-sensible Perspektiven auf Gewaltphänomene sowie die grundsätzliche Frage nach der Veränderlichkeit der Wahrnehmung, Rezeption, Skandalisierung, Tabuisierung, Ahndung oder Akzeptanz von Gewalt.
Konzept / Methodik
Um das gesamte Spektrum der Gewalt erfassen zu können, also nicht nur körperliche Übergriffe zu untersuchen, soll mit einem erweiterten Gewaltbegriff gearbeitet werden, der in der Lage ist, auch Invektiven (Ellerbrock und Fehlemann 2019) oder epistemische Gewalt (Spivak 1988/2008) als Gewalt zu theoretisieren und so Phänomene wie Rituale und Bräuche oder alltägliche verbale Übergriffe als Gewalt zu fassen und zu untersuchen, die ich in Anlehnung an „petty crime“ oder „petty corruption“ als „petty violence“ bezeichne.
Fragestellung
Konkret möchte sich das Projekt anhand von zwei Länderstudien, die in der Perspektive einer longue durée durchgeführt werden, unter anderem folgenden Fragen widmen:
- Welchen Stellenwert hatte vergeschlechtlichte Gewalt in den jeweiligen Gesellschaften?
- Was verstanden die Zeitgenoss*innen in den jeweiligen Kontexten und Orten unter (vergeschlechtlichter) Gewalt? Was galt als akzeptiertes, „normales“ (genderkonformes) Verhalten, was als grenzüberschreitend? Wie hing dies mit Aspekten wie sozialem Status des Opfers/Täters oder stereotypen Täter-Opfer-Bildern zusammen?
- Wie veränderten sich Vorstellungen davon, was als Gewalt gilt und welche Aussagen lassen sich dadurch über die jeweiligen Gesellschaften treffen?
- Zu welchem Mittel wurde Gewalt eingesetzt, unter welchen Umständen galt sie eventuell als legitim? Im Zusammenhang mit dieser Frage soll auch Konzept und Praxis der feministischen Gegengenwalt näher beleuchtet werden, ein von Frantz Fanons Konzeption inspirierter, emanzipatorischer Gewaltbegriff der Neuen Frauenbewegung der Sechziger- und Siebzigerjahre (Bielby 2017).
Infrastrukturtransformation in der Region Leipzig im Kontext von politischem Umbruch und Strukturwandel (1980 – 2000)
Die Stadt Leipzig war die einzige Großstadt der DDR, die seit den 1960er Jahren kontinuierlich an Einwohner*innen verloren hatte. Nach dem Ende der DDR setzte sich dieser Trend fort bzw. wurde durch die schlagartig einsetzende Deindustrialisierung, die so gut wie alle vormals relevanten Industrien betraf und einen massiven Verlust an Arbeitsplätzen zur Folge hatte, sogar noch verstärkt.
Diese Entwicklungen hatten Konsequenzen für die Infrastruktur der Region: zahlreiche Industrieanlagen waren mit Schließung der Industriestandorte überflüssig geworden, das Netz zu groß für die gesunkene Nachfrage. Andere Infrastrukturen waren zu dem Zeitpunkt hingegen nur unzureichend entwickelt. Dazu gehörten vor allem Kommunikationsinfrastrukturen wie Telefonleitungen und -anschlüsse.
Insbesondere die Stadt Leipzig versuchte dem Strukturwandel mit verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken und dem Arbeitsplatzverlust in Chemieindustrie und Tagebau mit einer Stärkung des Dienstleistungs-, Banken- und Mediensektors zu begegnen. Prägnantestes Beispiel für den Versuch, den Wegfall von Industriearbeitsplätze durch den Ausbau des Dienstleistungssektors zu kompensieren und dafür bestimmte Infrastrukturen zu stärken, ist der Flughafen Leipzig Schkeuditz mit angrenzenden Logistikzentrum. Dieser ist inzwischen einer der wichtigsten Frachtflughäfen Europas.
Das Dissertationsprojekt untersucht die Transformation der Verkehrs-, Kommunikations- und Energieinfrastrukturen und geht der Frage nach, wie Deindustrialisierung, Strukturwandel und nicht zuletzt der politische Umbruch nach dem Ende der DDR, Infrastrukturen geprägt und verändert haben. Dabei stehen Fragen nach den wechselseitigen Zusammenhängen zwischen gesellschaftlichem bzw. wirtschaftlichem und technischem Wandel im Vordergrund; ebenso wie welche Rolle Infrastrukturen bei der Gestaltung dieser Transformationsprozesse spielten und welche räumlichen Auswirkungen als Folge dieser Veränderungen zu beobachten sind.
10/2019 – 04/2024 | Promotion beim GRK KRITIS, Institut für Geschichte an der TU Darmstadt |
10/2013 – 05/2017 | Master of Arts Historische Urbanistik, TU Berlin. |
09/2011 – 09/2012 | Studium an der Universidad de Salamanca, Spanien (ERASMUS-Stipendium). |
10/2009 – 05/2013 | Bachelor of Arts Geschichte, LMU München. Schwerpunkt Neuere und Neueste Geschichte. Nebenfach: Politikwissenschaft. |
Seit 10/2019 | Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte und Mitglied im Graduiertenkolleg KRITIS, TU Darmstadt |
03/2017 – 09/2019 | Projektmanagerin bei Zebralog GmbH & Co KG, Agentur für crossmediale Bürgerbeteiligung, Berlin |
09/2016 – 02/2017 | Projektassistenz bei Zebralog GmbH & Co KG, Agentur für Crossmediale Bürgerbeteiligung, Berlin |
10/2015 – 02/2016 | Projektassistenz bei Urbanizers – Büro für städtische Konzepte, Berlin |
04/2014 – 03/2016 | Studentische Mitarbeiterin, Redaktion ZEIT ONLINE, Berlin |
“Energy transformation at the municipal level: The city of Leipzig beyond the epochal caesura of 1989 – A case study and a framework.” Paper discussion beim Workshop “Energy transitions and economic thinking in German-speaking territories, 1800-2000” des ERC-Projektes „Energy Transitions in the History of Economic Thought (19th-20th century)“ (wird in neuem Tab geöffnet), Centre national de la recherché scientifique, Paris, November 2024.
“No way out? The challenge of diverging interests in urban mobility transformations: The example of Leipzig’s public transport infrastructure 1989-2001 and its twofold transformation.” Vortrag bei der t2m-Jahreskonferenz „Mobilities and Infrastructures: Transitions and Transformations.” (wird in neuem Tab geöffnet) der International Association for the History of Transport, Traffic and Mobility (wird in neuem Tab geöffnet), Leipzig, September 2024.
„Un/Bundling of Infrastructure Systems in Transformation Processes. Conceptual conclusions from empirical findings: the case of the transformation of energy and transport infrastructures in Leipzig 1980-2000“. Vortrag bei der Konferenz „Critical Infrastructure Interdependencies: A ‘System of Systems’ Approach“ des Graduiertenkollegs KRITIS, TU Darmstadt, November 2023.
„Infrastruktur und kommunale Verwaltung in Transformation“. Vortrag bei der Auftaktkonferenz der Forschungsstelle Transformationsgeschichte (Uni Leipzig) (wird in neuem Tab geöffnet) zusammen mit dem Forschungsverbund „Wendezeiten“ der Hans-Böckler-Stiftung, Leipzig, Dezember 2022. Conference Report bei HSozKult
„Strukturwandel durch Digitalisierung: Armutsfalle oder Wachstumsmotor? Stadtentwicklung und lokale Wirtschaftspolitk in Leipzig, postwende“. Vortrag beim XI. Internationaler Förder-Kongress „Junge Wissenschaft und Wirtschaft“ der Schleyer-Stiftung und dem ifo-Institut, München, Juni 2022.
„From Bust to Boomtown? Post-Socialist Urban Transformation and Neoliberal City Management in the Context of the Deindustrialisation of the Central German Lignite Area After the “Wende”: The Case of Leipzig 1980 – 2000.“ Vortrag bei der Konferenz „From Boom to Bust: The History of Industrial Regions (1870-1970 and beyond)“, Université de Luxembourg, Juni 2022. Conference Report bei HSozKult
„Zwischen Kontinuität und Veränderung: Infrastrukturtransformation in der Region Leipzig im Kontext von politischem Umbruch und Strukturwandel (1980 – 2000)“. Vortrag im Kolloquium des Lehrstuhls für Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts (Prof. Dirk van Laak), Universität Leipzig (online), November 2021.
„Changing the System, Changing the City? Infrastructural Transformation in Leipzig and its Spatial and Temporal Implications after the »Wende«“. Vortrag bei der Konferenz „Transformation of Infrastructure Systems“ des Graduiertenkollegs KRITIS, TU Darmstadt (online), November 2021.
„Partizipation und Stadt“. Workshop am Center for Metropolitan Studies, TU Berlin, 2019.
„Bürgerbeteiligung als Bestandteil kommunaler Planungspraxis“. Workshop an der Europäische Akademie Berlin, 2018